Franz, du musst!


– Siehts der Mond auch jeden Abend,
Guckt er doch zum Fenster rein,
Drinnen flackert rot die Lampe,
Und man wechselt einen Schein.

Eine Hose wird in Falten
Über einen Stuhl gelegt,
Während sich ein tiefer Seufzer
Zwischenmenschlich fortbewegt.

Eine Spinne lässt sich fallen,
Und ein Seidenfummel fällt,
An der Wand im Schnörkelrahmen
Guckt ein Engel in die Welt.

Eine Fülle von orangen-
farbener Verkäuflichkeit
Legt sich auf das Vorgeprüfte
Und erwartet den Bescheid.

Ein Gebet auf schmalen Lippen
Wird im Himmel überhört,
Und ein Schicksal steht im Zimmer
Irgendwie herum und stört.

Ein ermunterndes: «Was ist denn!»
Aus der Ecke mahnt zur Lust,
Und das Schicksal fährt zusammen
Und entscheidet: «Franz, du musst!»

Siehts der Mond auch jeden Abend,
Guckt er doch zum Fenster rein,
Drinnen fällt beherzt ein Schicksal
Auf ein anderes herein.





Kleine Rotlichtballade 

hessisch


– Du hast Papiere nicht und Ahnen,

Du hast nur einen runden Leib,

Und die Behörden kratzen Kreuze

Betreffs: Festendlicher Verbleib?


Du hast in meinem Bett gelegen

Vorgestern Abend im August

Und hast gesagt: «Herr Nachbaa, gelle,

Se maches korrz, isch hob ko Lust.»


Und saß ein Vogel vor dem Fenster

Und hatte einen Ehrenplatz -

«Herr Nachbaa, sehn Se, unner Mensche

Iss doch es Edstle so‘n Schpatz,


Der fliescht erum un hockt am Erker

Un guckt enoi un hot ko Geld,

Des issen Schpatz un iss als solscher

Beliebt, gefiddert un gemeld.»


Du hast Papiere nicht und Ahnen,

Und übermorgen bist du tot,

Und vor den Fenstern alle Vögel

Spalieren dir im Morgenrot,


Und hinter Wolken schreibt ein dicker

Prophet dich ein in die Kartei.

«Herr Nachbaa, sehn Se, unner Mensche,

Do muss mer mindstens Engel sei.»







Veilchen


Ich bin bestellt. Und noch nicht abgeholt.

Und wie man sieht: Ich warte schon ein Weilchen.

Da sitz ich also. Irgendwie verkohlt

Und ziemlich nackt als ungepflücktes Veilchen.


Schön wärs, verdammtnochmal, wenn einer käme,

Egal, aus welcher Richtung, und der nähme

Mir der Gedanken Schwärze von der Seele,

Auf dass ich mich in ihn hineinverstehle …


Wie das gemeint ist? Ist doch piepegal.

Ich ahne jedenfalls den tiefern Sinn:

Das ganze Leben ist ein Jammertal,

Und ich sitz nackt und wartend mittendrin.






Pöapo


– Gottogott, wir sind ja, Gott sei Dank,

Ausgenommen nur der Polsterpo,

(vielmehr Pö mit Pünktchen überm o)

Insgesamt betrachtet rank und rutenschlank,

Pöapo legt uns die Kundschaft gern in Ketten

Und erlöst uns gegen Bares in den Betten.


So gesehn sind wir ein Stück Natur

(ganz genau genommen Stücker drei),

Uns verrät nicht der Entzückensschrei,

Wir empfehlen uns durch Stille pur,

Unser Augenleuchten ist ein stilles Fragen

Und ein Sonderangebot zum Weitersagen.


Gottogott, wir sind halt so gemacht,

(wir erfüllen Gott sei Dank auch einen Zweck)

Also sieh uns an und sieh nicht weg,

Denn du hast dir irgendwas mit uns gedacht.

Zwar erfüllt sich unser Sein nicht ganz im Rahmen,

Doch dich störts ja nicht. Und uns störts auch nicht.


Amen.







An Hermes


Schöner Gott, ich weiß, du fliegst da oben,

Und du hast mich im Visier,

Und du hältst mich für vollkommen,

Insoferne gleich ich dir.

 

Du, wenn ich mich morgens selber sehe

Auf dem Dachbalkone nackt,

Rückgespiegelt in der Glastür,

Ganz in Frühling eingepackt,

 

Du, dann bin ich einfach so vollkommen,

Immer morgens um halb acht.

Fünf nach neun ist alles anders,

Weil: Dann steh ich überdacht


Nackt auf einer Leopardendecke

Im Museum als Modell,

Und ein Seufzer löst sich leise,

Und mein Lächeln endet schnell,

 

Dort betrachten mich die Aushilfsgötter,

Und sie zeichnen mich als Akt,

Und, ich ahne es, am Himmel

Hast du SOS geflaggt.

 

Keine Panik, schöner Gott, schon morgen

Wogend wieder auf dem Dach

Steh ich, dreh mich für uns beide,

Und ich hör dein fernes: «Ach!»



 



Wir sind (noch) keine Engel


– Niemals dachten wir, uns zu verkaufen,

Und dann ist es unverhofft geschehn,

Lieber Gott, wir sehn dich Haare raufen

Und den Teufel an der Ofenklappe stehn,


Die er aufhält, uns hindurchzuschieben,

Gottogott, wir wollen da nicht rein,

Unsereins hat sich als Mensch zerrieben,

Doch als Engel werden wir geläutert sein.


Heute gehn wir büßen, gehn wir fegen,

Und bereuen wolln wir himmelwärts dann alles,

Drum, solange wir uns noch zur Kundschaft legen,

(fegend immerhin uns auf dich zu bewegen)

Lass dem Teufel nicht die Lösung unsres Falles!




 


Wenn der Schornstein raucht


– Ick bin een orjinales Schwerjewicht,

Naturbelassen, im Jeruch vaführend,

Die Sehnsucht scheuer Seelen schürend

Nach Mann. Und ick verleugne nicht


Mein loderndes Verlangen, wenn een Weib

Mir jradezu entgegenkommt und haucht:

«Nimm mir und leg mir hin!» Denn raucht

Der Schornstein überm Haus, und ihren Leib


Seh ick im Rauch zum Anjebot verwirbeln,

Und wenn die Kontenanz nicht weiter stört,

Darf mir det Weib im Oberstübchen zwirbeln

Und ick een Mann sein, wie et sich jehört.